Sunday, 15 September 2019
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Strategisch gesehen macht man in einem Wahlkampf grundsätzlich zwei Dinge: Entweder versucht man, das eigene Potential optimal zu mobilisieren und auszuschöpfen. Oder man bemüht sich, unentschlossene Wählerinnen und Wähler zu überzeugen. Meistens führt die richtige Kombination der beiden Strategien zum Ziel, bei Nationalratswahlen steht aber in der Tendenz die Mobilisierung im Vordergrund. So erklärt sich der Aufstieg der SVP zur wählerstärksten Partei vor allem damit, dass sie ihr Potential viel besser ausschöpft als andere Parteien. Zu einer Mobilisierungsstrategie gehören eine klare Botschaft und ein mitunter polarisierender Stil. Auch wenn man zwei Drittel der Stimmbevölkerung gegen sich hat und sich von den anderen Parteien klar abgrenzt, kann man in der Schweiz so immer noch wählerstärkste Partei sein.
Umgekehrt ist es bei Ständeratswahlen, welche nach dem Majorzverfahren gewählt werden. Hier steht das Überzeugen (meistens) im Vordergrund und da hat die SVP Mühe. Die grösste Partei des Landes stellt gerade mal fünf Ständeräte. 2011 kündigte die SVP einen «Sturm aufs Stöckli» an. Das Resultat war ernüchternd: Die Partei verlor zwei ihrer sieben damaligen Ständeräte. Ein Blick auf die momentanen Ständeräte zeigt, dass die SVP vor allem dort Ständeratswahlen gewinnt, wo sie für eine absolute Mehrheit wenig Partner braucht:
– Gleich zwei der fünf bisherigen SVP-Ständeräte kommen aus dem Kanton Schwyz: Peter Föhn und Alex Kuprecht. Bei den letzten Nationalratswahlen hatte die SVP im Kanton Schwyz einen Wähleranteil von 42.6%. Sie ist dort eigentlich DIE Partei. Das Majorzsystem kommt ihr hier ausnahmsweise zu Gute. Auf Englisch spricht man ja nicht zu Unrecht vom «the first past the post»-System. Wenn die SVP will und die Konstellation wie in der Vergangenheit passte, konnte sie hier deshalb eben auch gleich zwei Kandidaten durchbringen.
– Ganz ähnlich sieht es auch im Kanton Schaffhausen aus. Die SVP erreichte hier bei den letzten Nationalratswahlen gar einen Wähleranteil von 45.3%. Rechnet man die 5.1% der EDU mit hinzu, konnte die SVP auch hier bei Majorzwahlen durchmarschieren. Notabene politisiert ja auch der zweite Schaffhauser Ständerat, Thomas Minder, in der SVP-Fraktion.
– Ein weiterer SVP-Ständerat stellt der Kanton Thurgau: Roland Eberle. Im Gegensatz etwa zum Nachbarkanton St. Gallen, ist die SVP hier historisch verwurzelt und unterscheidet sich von der von Zürich geprägten Partei. Sie ist aber mit 39.6% Wähleranteil bei den letzten Nationalratswahlen trotzdem absolut dominant. Es erstaunt also nicht, dass bei der SVP Thurgau auch schon die Rede davon war, gleich zwei Kandidaten aufzustellen. Das Unterfangen wäre rechnerisch nicht aussichtslos, entspricht aber eben nicht der Kultur der SVP Thurgau.
– Schliesslich stellt die SVP auch noch einen Ständerat im Kanton Glarus: Werner Hösli. Glarus wählt seinen Nationalrat ebenfalls nach dem Majorzverfahren, weshalb ein Vergleich schwierig ist. Der Kleinstkanton scheint nach eigenen Regeln zu ticken.
Was also ist die Lehre aus der Vergangenheit? Will es die SVP ausserhalb der absoluten Stammlanden in den Ständerat schaffen, bräuchte sie starke, profilierte Kandidaten, die aber nicht als Hardliner gesehen werden und deshalb in der bürgerlichen Mitte und bei parteiungebundenen Wählern punkten können. Notabene eine lange Karriere im Nationalrat scheint bei der SVP eher eine schlechte Vorbereitung für einen erfolgreichen Sprung ins Stöckli zu sein.
Die SVP dürfte wohl vier der fünf bisherigen Sitze verteidigen. Doch dann wird es schon fast etwas schwierig. Wenn ich ins Land schaue, fällt vor allem der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler auf, dem das Kunststück zuzumuten wäre. Er hat als Regierungsrat die Messlatte einer Majorzwahl schon übersprungen und machte als OK-Präsident des eidgenössischen Schwinger- und Älplerfestes einen super Job. Zudem gab er im Wahlkampf das Versprechen ab, keine bezahlten Mandate als Politiker anzunehmen. Das gefällt – notabene im Kanton Zug.
Roger Köppel macht zweifellos einen sehr engagierten Wahlkampf, der der Partei für die Nationalratswahlen Schub gibt. Zudem hat er seine Kandidatur auch von Anfang an medienwirksam «geframed»: Köppel vs. FDSP. Es wäre aber für viele eine Überraschung, wenn ihm gelingen würde, was notabene einem Ueli Maurer und Christoph Blocher nicht gelang.
Der Rücktritt von Werner Luginbühl wäre eigentlich eine Chance für die SVP, im Kanton Bern ihren angestammten Sitz zurück zu gewinnen. Die abgespaltene BDP hat aber ebenfalls ein starkes Pferd im Stall. Bemerkenswerterweise kommt der SVP-Kandidat Werner Salzmann bei den Wahlprognosen von 50plus1 nicht einmal vor.
Ähnlich sieht es auch im Kanton Aargau aus, wo die SVP bei den letzten Wahlen einen Wähleranteil von 38% erzielte. Hansjörg Knecht hat die klassische Laufbahn durch alle politischen Ebenen durchlaufen. Mit 39.5% erzielte er vor vier Jahren im ersten Wahlgang fast genau das Potential seiner eigenen Partei. Obwohl er im Ton sicher moderater ist als etwa ein Ueli Giezendanner, blieb er im zweiten Wahlgang gegen Philipp Müller chancenlos und erreichte gar nur noch 34.5% der Stimmen. Mal schauen, was dieses Mal im Kielwasser des ersten Wahlgangs möglich wird. Würde Knecht im Wahlkampf jedenfalls halb so viel «Drive» wie Cédric Wermuth hinlegen, wäre er im ersten Wahlgang gewählt.