Saturday, 08 July 2023
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Im diesjährigen Wahlkampf wird die Sitzverteilung im Bundesrat wieder einmal intensiv diskutiert. Ein guter Ausgangspunkt für eine solche Debatte ist die Erinnerung daran, dass die sogenannte Zauberformel in keinem Gesetz und schon gar nicht in der Verfassung steht. Es hat auch nichts mit Magie zu tun, sondern ist nichts anderes als eine Absprache unter den Parteien. Sie kann jederzeit geändert werden, wenn sich denn Mehrheiten finden. Denn das ist klar: für eine Wahl in den Bundesrat braucht es eine absolute Mehrheit der Stimmen in der vereinigten Bundesversammlung.
Keine Partei hat also per se einen Anspruch auf eine Vertretung im Bundesrat. Es geht auch weniger um Proporz und Wähleranteile als um Realpolitik. In der Vergangenheit haben die regierenden Parteien nicht freiwillig auf Macht verzichtet, sondern diese als Reaktion auf politischen Druck abgegeben. Der Wähleranteil war nur mittelfristig und über mehrere Wahlen hinweg entscheidend. Die SVP erhielt 2003 einen zweiten Bundesratssitz, weil sie das politische System vorher während fünfzehn Jahren umgepflügt hatte. Von einer solcher Vetomacht spüre ich momentan nichts. Weder die Grünen und schon gar nicht die Grünliberalen sind eine Blockade für das Politsystem. Das Referendum gegen die Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) ist zum Beispiel kläglich gescheitert. Und auch bei ihrem Kernthema Umweltschutz sind die Grünen weit davon entfernt, alleine Mehrheiten bei Volksabstimmungen zu mobilisieren. Wie wir bei der Abstimmung über das Klimagesetz beziehungsweise über das CO2-Gesetz einrückglich gesehen haben, sind sie auf die Unterstützung der bürgerlichen Mitte angewisesen.
Zusätzlich zur Realpolitik gehören zu einer mittelfristig erfolgreichen Integration in den Bundesrat zudem die folgenden Faktoren: eine Partei braucht einen geeigneten Kandidaten, der über die eigenen Parteigrenzen hinweg wählbar ist. Es braucht Wille und Fähigkeit, gemeinsam mit anderen Parteien eine Lösung zu finden. Schliesslich gilt es auch nicht zu vergessen, dass die Schweiz nicht nur aus der Deutschschweiz (sprich aus den Deutschschweizer Leitmedien) besteht. Es zählt auch die Verankerung einer Partei in der lateinischen Schweiz und in den Kantonen.