Sunday, 04 June 2023
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Bald werden sie wieder überall hängen: die Wahlplakate. Ein amerikanischer Politberater, der zum Zeitpunkt des letzten Wahlkampfes in der Schweiz war, hat mich damals gefragt, ob es bei uns eigentlich ein Gesetz gäbe, welches vorschreibe, dass alle Wahlplakate gleich aussehen müssten (Kopf des Kandidaten und ein inhaltsleerer Spruch). Die Frage ist nicht dumm. Es gibt ja tatsächlich Länder wie zum Beispiel Brasilien, wo das Gesetz die Form des Wahlkampfmaterials vorschreibt. Bei uns ist das jedoch nicht der Fall. Unsere Politiker und ihre Grafiker und Fotografen sind wirklich so einfältig und mutlos.
Da wir in der Schweiz keine TV-Werbung haben, sind Plakate offline eines der wichtigsten Instrumente im bezahlten Raum. Sie verschlingen einen substantiellen Teil der Kampagnenbudgets. Also warum sie nicht einsetzen, um Aufmerksamkeit zu ergattern und dann gleich eine politische Aussage zu kommunizieren? Die Mehrheit nimmt bei uns bei Wahlen eh nicht teil, aber diejenigen Leute die wählen gehen, tun dies entweder aus Tradition (und spielen im Wahlkampf kaum eine Rolle) oder um ein politisches Statement zu machen. Mut zur politischen Aussage, sage ich deshalb immer meinen Kunden.
Idealerweise sollte man notabene auch die Bilder dazu nutzen, um die eigene Botschaft zu kommunizieren. Denn ob man bewusst eine Message formuliert oder nicht, man vermittelt implizit sowieso eine. In diesem Sinn ist die Botschaft, welche das Gros der Schweizer Wahlkampfwerbung eigentlich kommuniziert, die folgende: «Ich will gewählt werden». Verständlicherweise ist das für die meisten Wählerinnen und Wähler (abgesehen vom Kandidaten selbst und seinem engsten Umfeld) wenig interessant. Ich kann mich noch gut an einen Probanden in einer Fokusgruppe erinnern, der den Inhalt eines Wahlplakats wie folgt beschrieben hatte: «Es ist das gleiche, wie wenn man auf das Plakat schreiben würde, dass das Tram sieben um sieben Minuten nach sieben fährt».