Sunday, 04 December 2022
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Die Schweiz hat offiziell ein Milizparlament. Das ist den Schweizern sehr wichtig und wird sich auch nicht bald mal ändern. Es ist allerdings weitgehend ein Mythos. Wer genauer hinschaut, merkt bald, dass die meisten Parlamentarier eigentlich Berufspolitiker sind. Sie kombinieren ihr Mandat im eidgenössischen Parlament mit lokalen Exekutiven, Mandaten bei Verbänden oder eben aus der Wirtschaft. Dies wurde während der letzten Wochen im Zusammenhang mit der Bundesratskandidatur von Albert Rösti diskutiert. Dieser bezeichnet sich als der klassische Milizparlamentarier und fungiert offiziell als Geschäftsführer der Büro Dr. Rösti GmbH. Rösti ist wohlverstanden bei weitem nicht der einzige, der sein Parlamentsmandat mit lukrativen Nebenmandaten kombiniert. Es ist in der Schweiz gang und gäbe.
Dabei finde ich es ein wichtiger Unterschied, ob man für Ideen oder für Geld (=wirtschaftliche Interessen) lobbyiert. Sicher haben auch Firmen ein Anrecht darauf, ihre Interessen in den politischen Prozess einzubringen, aber es ist ein Unterschied. In ihrer Berichterstattung versuchen die Medien, sich unparteiisch zu geben und verlieren dabei aber zuweilen die Beisshemmung gegen rechts. Denn was Mandate aus der Wirtschaft angeht, sind bürgerliche Parlamentarier mehr betroffen als links-grüne National- und Ständeräte. Zudem haben wir in der Schweiz eine sehr lückenhafte Transparenz. Parlamentarier sollten ihre Mandate angeben, nicht aber, wie viel sie damit verdienen. Das sollte sich meiner Meinung nach ändern. Wer mit dem Lobbying mehr verdient als mit dem eigentlichen Parlamentsmandat, ist nicht mehr unbefangen. Aufschlussreich finde ich immer auch ein Blick auf die Vorstösse, die ein Parlamentarier eingereicht hat. Oft haben sie herzlich wenig mit den Interessen der Bevölkerung zu tun, sondern eben mit den Mandaten, für die ein Parlamentarier unterwegs ist.